Über den Wald in der Nähe meines Wohnortes werden sich gerne unheimliche Geschichten erzählt. Insbesondere eine verlassene Grube, die 1945 endgültig stillgelegt wurde, steht im Zentrum aller paranormalen Ereignisse: Dort sollte es nämlich spuken.

Spaziergänger und Neugierige wollen Frauenschreie im Wald gehört haben, aus der verlassenen Grube soll ein Mann aufstehen und durch den Wald wandern. Schattenhafte Gestalten, Abdrücke von Kinderhänden an nebligen Autofenstern und Gehängte, die man an einem Baum gesehen haben will, der nun schon länger gefällt wurde. Auch sollen Jogger verschwunden oder gar Jugendliche ums Leben gekommen sein.

Die Grube ist demnach ein beliebtes Ausflugsziel für nach Aufregung gierende Menschen und Teenager. Wer sich hier in der Gegend gruseln will oder sich profilieren möchte, geht nachts in den Wald bzw. zur Grube.

Ich wusste zunächst nichts von diesen Geschichten, urbanen Legenden oder Mythen als ich meine täglichen Spaziergänge in den Wald unternahm.

Mein erstes Erlebnis in dem Wald war jedoch ein Negatives: Sofort hatte ich das Gefühl hier sei ein Verbrechen geschehen: Jemand sei ermordet worden und je länger ich blieb, desto stärker wurde dieses Gefühl. Es war beklemmend und machte mich nervös. Mit dieser negativen Empfindung kam auch eine Gewissheit: Nicht nur ist hier etwas Schreckliches passiert, auch hatte ich den Eindruck, im Wald sei dieser Jemand begraben worden.

Eine merkwürdige und intensive Wahrnehmung – insbesondere, da ich zum ersten Mal in dem Wald war und eigentlich mit meinen Kindern auf den nahegelegenen Spielplatz wollte. Es war kaum auszuhalten für mich, weshalb ich einfach nur so schnell wie möglich wieder nach Hause wollte. Schlichtweg kein guter Ort, um mit seinen Kindern spielen zu gehen.

Mein Bedürfnis, diesen Ort wieder aufzusuchen war gestillt, weshalb ich auch lange keinen Fuß mehr in den Wald setzte.

Doch irgendwann wurde mir meine übliche Runde mit Hund auf dem Feldweg zu voll, weswegen ich mich wieder dem Wald zuwandte. Hier war kaum jemand unterwegs und man hatte wahrlich seine Ruhe. An einem heißen Sommertag jedoch als ich morgens durch den Wald ging, wurde die intensive Wahrnehmung des Ortes zur Qual.

Ich hatte das deutliche Gefühl beobachtet zu werden. Ich wusste auch hier noch nichts von den Gruselgeschichten, sodass ich auf Grund der Intensität meiner Wahrnehmung davon ausging, dass wir (also mein Hund und ich) tatsächlich beobachtet wurden. Der Wald verläuft auf hügeligen Pfaden und ich war felsenfest davon überzeugt, dass am Ende eines Weges ein Jäger oder Förster steht, der uns beobachtet. Die Blicke schienen uns förmlich zu durchbohren und die Situation zusammen mit der aufkommenden Hitze und dem permanenten Surren der Fliegen um uns herum war die reinste Qual.

Meine aufsteigende Gereiztheit half nicht, und auch mein Hund wurde irgendwann nervös. Ich hatte wahrlich keine Lust mehr und ging so schnell wie möglich nach Hause – wieder kein schönes Erlebnis in diesem Wald.

Auch in diesem Fall gönnte ich mir eine wochenlange Pause von Spaziergängen im Wald. Doch irgendwann probierte ich es wieder mit unserem Hund und siehe da: Diesmal klappte es. Kein Beobachten, keine Beklemmungen, keine atmosphärische Negativität.

Dachte ich zumindest.

Doch ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass uns an diesem Tag jemand nach Hause folgte.

In der folgenden Nacht sollte es anfangen: Ich wachte von dem Weinen eines Kindes auf. Es hörte sich zunächst an als würde draußen auf der Straße ein kleines Kind weinen. Ich wusste aber, dass wenn dem so wäre, ich es nicht so laut weinen hören konnte. Es war weiter weg und doch nah. Es war nicht möglich und trotzdem hörte es nicht auf. Das Weinen wurde präsenter und ich musste mich konzentrieren, damit es aufhörte. Mir war hier schon bewusst, dass ich hier kein „reales“ Kind gehört haben konnte. Ich schlief wieder ein.

In der zweiten Nacht wachte ich wieder von dem Weinen eines Kindes auf. Diesmal war es offensichtlich in unserem Schlafzimmer. Ich war zunächst nur irritiert und kontrollierte ob eines meiner Kinder weinte oder im Schlaf hektisch atmete. Doch sie schliefen beide ruhig und die Geräusche passten nicht zu den gleichmäßigen Bewegungen ihrer Brust. Aber es war noch ein weiteres Kind im Zimmer. Ich konnte nichts sehen, war mir dessen jedoch absolut sicher. Das Weinen hörte auf. Ich schlief wieder ein.

In der dritten Nacht wachte ich erneut von dem Weinen eines Kindes auf. Diesmal war es im Zimmer nebenan, im Zimmer meiner jüngeren Tochter. Ich hörte es weinen und aufgeregt atmen. Ich wusste natürlich auch diesmal, dass es nicht „real“ sein konnte. Ich kontrollierte wieder, ob nicht doch eines meiner Kinder im Schlaf weinte, doch sie waren ruhig. Das Weinen hörte auf und ich schlief wieder ein.

Nach dieser dritten Nacht war mir natürlich klar, dass dies kein Zufall sein konnte. Es waren Kinder, die mich besuchten.

Doch ich konnte erst einmal nichts damit anfangen, außer dass es mich äußerst irritierte. Schließlich gehen Kinder, die sterben, ins Licht. Sie werden abgeholt und auf die andere Seite gebracht. Oder? Warum sollten sie also hier sein?


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