Nur eines war mir bewusst: Wenn man mit der anderen Seite kommuniziert, hat jedes Medium bestimmte Zeichen oder Metaphern, die ihnen die Kommunikation erleichtern. Das Weinen eines Kindes war mein Zeichen für: Hier ist ein Kind eines gewaltsamen Todes gestorben. Entweder höre ich dann das Weinen des Kindes oder das der Mutter. Mehr Details oder Informationen brauche ich dann nicht. Diese traurige Tatsache reicht mir schon als Information.

Ich war mehr als irritiert und konnte zu diesem Zeitpunkt auch keinen Zusammenhang mit den Geschehnissen im Wald herstellen – Ich wusste es bis dahin nicht.

Durch einen „Zufall“ wurde mir ein Zeitungsartikel gezeigt, der von den Spukgeschichten aus unserem Wald berichtete. Es wurde versucht, die Ereignisse und Augenzeugenberichte wissenschaftlich zu erklären. Nun begann ich zu recherchieren und stieß im Internet natürlich auf eine Menge Informationen – manche mehr und manche weniger nützlich. Doch alles schien sich um die Grube zu drehen. Nur hatten die Geschehnisse scheinbar keinen Anfang. Alles war ohne Zeitangaben, nur mündliche Erzählungen. Laut Interessierten würden sich die Bewohner hier allesamt bedeckt halten was die Geschichte des Waldes betrifft und würden vom Thema ablenken wollen. Das glaubte ich sofort. Doch schweigsame Mauern sind bekanntlich nicht besonders nützlich.

Die Geschichten waren für mich deshalb nicht besonders wertvoll. Ich konnte nichts über verschwundene Kinder in unserer Gegend finden. Keine ungelösten Verbrechen. Nur Spukgeschichten über die Grube. Ich persönlich hatte meine Erfahrungen allerdings im Wald und nicht in der Nähe der Grube gemacht.

Es machte zunächst alles nicht viel Sinn und der Alltag hatte mich wieder fest im Griff. Aus Sommer wurde Herbst und dem Herbst folgte der Winter. Als der erste Schnee fiel, wollte ich wieder mit meinem Hund in den Wald.

Kaum setzte ich einen ersten Schritt in den Wald, spürte ich sie: Zwei Kinder.

Zwei kleine Kinder, die im Wald im Schnee spielten. Ihre Präsenz war so offensichtlich und eindeutig, obwohl ich sie nicht sehen konnte. Doch ich konnte sie wahrnehmen und hören. Und ich spürte: Auch sie waren sehr an mir interessiert.

Sie wussten, dass ich sie wahrnehmen konnte und ich wusste, sie folgten mir und meinem Hund durch den Wald. Es war absolut still, kein Vogel war zu hören. Auf dem Rückweg konnte ich jedoch etwas anderes hören: Ein Kinderlachen – ganz nah an meinem linken Ohr.

Es war wirklich nicht mehr zu leugnen. Wie immer, wenn ich solche Erfahrungen mache, bekomme ich keine Panik oder Angst, sondern empfinde nur Ruhe und Akzeptanz für das scheinbar Unmögliche. Deshalb ging ich auch hier einfach nach Hause, wobei ich mir gedanklich noch einen „Schutzmantel“ aus Licht um mich und meinen Hund herum legte.

Doch diese Nacht sollte mir als besonders schlimm in Erinnerung bleiben. Schon bevor ich mich ins Bett legte, hatte ich abends wieder das unbestimmte Gefühl, beobachtet zu werden. Keine starke Präsenz oder Bedrohung, einfach nur das Gefühl, beobachtet zu werden. Insbesondere in unserer oberen Etage. Ich legte mich mit meinen Kindern schlafen. Beide schlafen mit uns in einem Familienbett, meine jüngere Tochter dabei stets in irgendeiner typisch wilden Kleinkindposition auf mir.

In dieser Nacht wachte ich plötzlich auf und sah einen kleinen Schatten, wie von einem kleinen Kind, der sich an meinem unteren Bettrand aufrichtete. Instinktiv spürte ich die Fremdartigkeit des Schattens – es war keines meiner Kinder und ich fing an zu schreien. Mein Mann und meine Kinder wachten von meinem Schrei auf und der Schatten war verschwunden.

Am Morgen hatte ich allerdings noch Probleme mich an die Situation zu erinnern. Ich fragte meinen Mann, ob sich eines unserer Kinder vielleicht doch aufgerichtet und auf das Bett gesetzt hatten, doch er verneinte. Beide hatten bis zu meinem Schrei fest geschlafen. Interessanterweise hatte auch er unabhängig von meiner Erfahrung an diesem Abend das Gefühl, beobachtet zu werden. Obwohl er selbst kein Gespür für solche Wahrnehmungen hat.

Auch wenn diese Erfahrungen für mich insgesamt noch keinen Sinn machten, konnte ich zumindest sicher sein, dass wir auf jeden Fall Besuch hatten. Ich fing tagsüber an, das Haus mit Salbei zu räuchern. Als ich in das Zimmer meiner älteren Tochter kam, wusste ich jedoch schon was mich dort erwarten würde. Der Verschlag am Dachboden, in dem wir Kisten mit Kinderkleidung lagern, war offengelassen worden, und ich konnte die kindliche Energie spüren, die sich dort aufhielt. Ein Kind versteckte sich dort.

Ich ging mit dem Salbei näher und fragte gedanklich, ob es sich da versteckt hielt. Als Antwort bekam ich dreimal ein leises Klopfen zu hören. Jemand klopfte vom Innenraum des Verschlags gegen die Tür. Ich sagte zu dem Kind, dass es mir leidtäte, aber es müsste jetzt leider wieder gehen, es könnte nicht bei uns bleiben. Ich spürte, wie sich seine Energie aus dem Fenster entfernte.

Es herrschte wieder „Ruhe“ in unserem Haus, doch nun ließen mich die Kinder aus dem Wald nicht mehr los. Ich fragte mich, wie es möglich war, dass die Kinder nicht abgeholt wurden. Was war ihnen geschehen? Wo waren ihre Eltern, ihre Mutter? Sie würden doch nach ihren Kindern suchen, auf der anderen Seite?

Der Wald beschäftigte mich nun ab sofort sehr und von einem neuen Impuls getrieben, ging ich nun öfter dort spazieren. Ich versuchte nun ganz bewusst die Energien, die sich im Wald aufhielten, aufzuspüren. Einmal nahm ich eindeutig noch eine junge Frau wahr. Sie machte auf mich einen ungewöhnlich verhärmten, abgemagerten Eindruck, aber sie war für mich als Mutterenergie zu identifizieren. Ich hatte also zwei Kinder, ihre Mutter und die Erscheinung, die mich so penetrant beobachtet hatte. Also eine Familie? Was taten sie dann im Wald? Was hielt sich davon ab weiterzuziehen und ins Licht zu gehen?

Trees Forest“ von Carmine De Fazio/ CC0 1.0


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