Es war wahrlich eine Jagd, die ich gesehen hatte. Der Stress, die Todesangst der Menschen, das Gefühl der Endgültigkeit, als der Schuss fiel – unmöglich zu beschreiben und gleichzeitig so unendlich menschenunwürdig.

Mit dem Schuss und dieser neuen Erkenntnis über die Geschehnisse kam ich wieder zurück in die Realität. Die Kinder waren noch da und ich verstand nun,  was sie seit Jahren festhielt.

Dazu muss man wissen: Ein Versprechen zwischen zwei Personen ist bindend. Nicht nur in dieser Welt und in diesem Leben ist ein Versprechen bindend zwischen den Beteiligten. Aussagen, die derart verbindlich geschlossen werden, haben auch in den nachfolgenden Leben Bestand.

Das mag sich zunächst romantisch anhören, geht man von Versprechungen wie „Ich werde dich für immer lieben“ oder „für immer an deiner Seite bleiben“ oder „immer auf dich aufpassen“. Doch tatsächlich ist dies wie ein Vertrag zu verstehen, der unmöglich nur von einer Partei gebrochen werden kann. So mag sich das schön und sinnvoll anhören in dieser Konstellation, wie z.B. bei zwei Liebenden. Jedoch wird sich dieses Beziehungsgeflecht im nächsten Leben wahrscheinlich nicht in gleicher Art und Form wiederholen.

Die Beteiligten werden zusammen wiedergeboren, doch stehen in einer gänzlich anderen Beziehung zueinander. Das Versprechen hat jedoch weiterhin Bestand und macht es nun unmöglich, dass sich beide zum Beispiel trennen können. Sie fühlen sich immerzu einander verpflichtet obwohl die Art der Beziehung toxisch ist und beiden von Schaden ist. Beide müssten sich erst von diesem vergangenen Versprechen „freisprechen“, um ihrer Wege gehen zu können.

So war es nun auch hier geschehen: Die Beteiligten haben sich in höchster Not ein Versprechen gegeben: „Ich werde auf sie aufpassen“ und der Mann sah sich in der Pflicht dies auch über den Tod hinaus einzuhalten. So hielt er sich und die Familienmitglieder in einem Strudel aus Wiederholungen der grausamen Ereignisse fest. Er hielt an seinem Leid, an seinem gefühlten Versagen, an seiner Schuld fest und machte sich selbst zu einem Gefangenen. Er konnte sich nicht alleine daraus befreien, dann hätte er sein Versprechen brechen müssen. Eine Loslösung wäre nur mit dem anderen Mann möglich.

Ich erkannte nun die Tragik hinter dem Erlebten und wandte mich meinen eigenen Verstorbenen zu, die ich relativ leicht erreichen kann. Wie meinen verstorbenen Großvater, der mich begleitet, und erzählte ihm von dem Gezeigten. Ich kann es leider nicht besser beschreiben, aber es war als würde sich „etwas in Bewegung setzen“.

Energie begann sich in Bewegung zu setzen und über Zeit und Raum hinaus zu gehen: Ich spürte wie der Mann mit dem Schnauzbart näherkam. Energien zeigten sich, die vorher nicht kommen konnten: Sie kamen um sie abzuholen. Mein Großvater fragte, ob ich mitkommen will, doch ich verneinte. Ich wollte hier in meinem Schlafzimmer, bei meinen Kindern bleiben. Doch ich bekam trotzdem einen Teil dessen was danach passiert ist, gezeigt. Sie waren wieder alle im Wald, doch diesmal zeigte sich vor ihnen ein Weg durch die Bäume.

Der Pfad führte nach oben, ins Unendliche. Der Weg endete im Licht, in einem hellen weißen Licht. Sie gingen alle, der Mann, die Frau, diesen Weg hoch zum Licht entlang, die Kinder tanzend und springend vorneweg. Es waren noch andere Energien da, Menschen die schon lange auf sie gewartet haben. Als sie alle das Licht betraten, war es als würde mein Herz explodieren: Ich spürte unendliche Liebe, Dankbarkeit und Vergebung. Diese Empfindungen waren mit nichts zu vergleichen, sie waren rein und absolut. Es war die Liebe Gottes, die ich spürte. Es war eine allgegenwärtige Liebe, die nur eines hervorbringen kann: Heilung.

Mir kamen die Tränen, denn diese Gefühle waren nichts im Vergleich zu den „menschlichen“ Erfahrungen, die man in seinem Alltag erleben kann. Insbesondere das Gefühl der Vergebung war allumfassend. Die Schuld, das Leid, es war alles beendet. Sie waren frei und sie waren endlich zu Hause.

Ich verstand auch nun, dass der Mann mit dem Schnauzbart lange auf sie gewartet hatte: Er war der Vater der Kinder. Aus späteren Recherchen erfuhr ich, dass er es geschafft hatte zu fliehen und Deutschland zu verlassen. Er hatte bis zu seinem Tod in den USA gelebt.

Da sie nun ins Licht gegangen waren, konnte ich sie nun besser wahrnehmen. Seitdem kommen sie mich auch regelmäßig besuchen. Einmal wachte ich nachts auf und sah eine kleine Gestalt, einen kleinen Schatten mitten auf unserem Bett sitzen. Doch diesmal bekam ich keinen Schreck. Der kleine Schatten winkte mir zu. Ich konnte es zunächst nicht richtig einordnen und vor allen Dingen nicht so recht meinen Augen trauen, doch er winkte munter weiter. Ich winkte zurück und der Schatten verschwand. Vielleicht wäre es für jemand anderen ein guter Grund gewesen schreiend aus dem Raum zu rennen, doch auch hier ist die Energie entscheidend: Welche Energie hat die Erscheinung? Und diese Erscheinung hatte keinerlei bedrohliche Absichten. Sie war mir nun auch nicht länger fremd.

Es war nur ein Gruß von der anderen Seite.


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